Israel..Mon Amour
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Wer ist Dir gleich, Herr, unter den Stummen...

„Wir haben gelernt, daß bestimmte menschliche Erfahrungen sich jenseits der Sprache vollziehen, besser gesagt, daß ihre Sprache das Schweigen ist. Wir  haben auch erfahren, daß das Schweigen nicht immer erlösend und schöpferisch ist. Es kann zum Instrument der Folter und des Todes werden.
Wir haben erfahren, daß das Schweigen sich wie eine Mauer vor die Geschichte stellen kann, die es erhellen soll. Wie soll man das wahre vom falschen Schweigen unterscheiden?“ (…)
Vielleicht finden wir die Antwort in Worki, jenem kleinen chassidischen Dorf, von dem Elie Wiesel berichtet, daß es dorthin „eine Reise ans Ende des Redens“ ist, „zu den Ursprüngen des Schweigens. (…)
Ich gebe zu, daß ich mich Worki sehr nahe fühle durch sein Schweigen, weil es mich an ein anderes Schweigen erinnert, an das Schweigen ganzer Gemeinden, die durch einen Kontinent in Flammen, auf einem Planeten aus Asche auf den Tod zuschritten, langsam, schweigend und gesammelt, als verzweifelten sie am Wort und vielleicht sogar am Schweigen.

Mehr als der Hunger der Hungrigen, mehr als die Qualen der Gefolterten, mehr als die Flammen, die über den Massengräbern prasselten, läßt mich das Schweigen dieser nächtlichen Prozessionen nicht los und wird mich bis zum Ende meiner Tage verfolgen.
Der schwermütige Rabbiner und seine erschreckte Gemeinde, der Meister und seine Schüler im Gebet, die Träumer, die Arbeiter, die Kinder, sie schrien nicht und weinten nicht. Sie marschierten und marschierten und ließen hinter sich ein Schweigen zurück, das sie überleben wird. Ein vollkommenes, absolutes Schweigen.
Ich denke an das Schweigen von Worki und denke an das Schweigen fern von Worki und weiß, was es verkörpert: Zeichen und Schrei eines Volkes, um es als Opfergeschenk an die Nacht und den Himmel darzubringen – Opfergabe einer sprachlos gewordenen Menschheit, die am Ende der Sprache und am Ende der Schöpfung angelangt ist, und darüber hinaus ein Geheimnis, das unergründlich bleibt.“  (Elie Wiesel, Geschichten gegen die Melancholie, S.142-143)

 

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